• „Ist Fischen ethisch vertretbar?“ ist per se eine philosophische Frage“.
  • Das ethische Handeln liegt einerseits beim Angler selbst (Verantwortungsethik, Situationsethik) andererseits in der Gruppe (Gesinnungsethik)
  • Erläuterungen auf Basis von biologischen, physiologischen oder rechtlichen Erkenntnissen sind nur Hilfserklärungen für unser Handeln.
  • Keinesfalls braucht es eine pseudomoralische Aufräumarbeit unter uns Fischern.
  • Gegenseitige Vorwürfe „Du bist ein „catch and freeze“ Fischer“
  • „Du bist ein „Tierquäler, der den Fisch zum Sportgerät erniedrigt“, helfen nur den Gegnern unserer Leidenschaft.

Wir Hobbyangler üben im Gegensatz zum Berufsfischer den Fischfang als reine Freizeitbeschäftigung aus. Dies führt vor dem Hintergrund einer nicht mehr anthropozentrischen Mensch-Tier-Beziehung („MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN“ (Gen 1,28)) zu heftigen Diskussionen.

Die zentralen Fragen dabei lauten:

  • Ist es ethisch vertretbar, Tieren im Rahmen einer Freizeitbeschäftigung nachzustellen, sie zu haken, zu fangen und zu töten
  • Eine weitere moralische Frage ist jene nach der Rolle des Menschen in der Natur

Sind wir Angler oder Fischer?

Die Angel – primär das listige Fischfanggerät, angulam, ist ja nur der gekrümmter Haken……

Erst der Fischer setzt diesen im Bewusstsein ein, dass der Haken den Fisch verletzten wird.

Situationsethik und Fischerei

  • Durch die Situationsethik versuche ich, mein Verhalten nicht durch höchste Normen und Werte zu begründen, sondern ich orientiere mich allein an meinen Lebenssituationen und Gegebenheiten.
  • „fair fly“ oder Gold-Jig? – Wobbler oder Lebendköderfisch ?
  • War es mein Ziel, einen großen Fisch sicher zu landen, damit ich ihn essen kann?
  • Wollte ich dem Gewässer einen Mutterfisch zur Nachzucht entnehmen?
  • Hätte ich mit einer anderen Angelmethode auch Erfolg gehabt?
  • Die Situationsethik ist jene moralische Theorie, die meine Handlung nach meiner Handlungsabsicht bewertet, und zwar ungeachtet der nach erfolgter Handlung eingetretenen Folgen.

Verantwortungsethik und Fischerei:

  • Die Verantwortungsethik bezeichnet jenes ethische Vorgehen, das bei meinen Ent-scheidungen zwischen Handlungsalternativen die tatsächlichen Ergebnisse und deren Verantwortbarkeit in den Vordergrund stellt.
  • Fischen, der Fischfang – besteht
    • aus der Phase der Ortsveränderung des Fisches: anlocken und scheuchen
    • aus der Phase in der ich den Fisch erfasse (mit dem Haken, mit dem Kescher, der Reuse etc.
  • Jedenfalls hängt der Fisch am Ende am Haken oder im Netz.

Haben Fische ein Schmerzempfinden?

Eine unvermeidbare Frage dabei ist jene nach dem Schmerz und Leiden der Kreatur und ob eine naturwissenschaftliche Antwort die Gesinnung des Anglers ethisch rechtfertigt.

Das am häufigsten genannte „naturwissenschaftliche“ Argument ist:

  • Fischgehirne haben kein Zentrum für Schmerzempfinden (keinen Cortex), oder neudeutsch: „no brain, no pain“
  • Deshalb ist die Art, wie Fische auf einen Schmerzreiz reagieren anders als bei Säugetieren.
  • Bei Schmerz vermeiden Säugetiere zum Beispiel, die verletzte Stelle zu berühren.
  • Beim Fisch fehlen diese „nozizeptiven“, also schmerzreflexbedingten Reaktionen.

Haben Fische ein kognitives „Bewusstsein“?

Naturwissenschaftlich gesehen reagieren Fische oft wie ein kleiner Automat. Wenn ein Fisch zur Welt kommt, dann ist er schon mit allem ausgestattet, was er zum Überleben braucht. Der Goldfisch im Wasserglas: Fische hätten nur ein Drei-Sekunden-Gedächtnis und würden sofort alles wieder vergessen. Das kennen wir Fischer aber anders:

Der misstrauische Karpfen, die heikle Äsche, der scheue Huchen……..

 

Haben Fische einen Willen, den wir im Drill brechen ?

Eine verantwortungsethische Erkenntnis ist, dass wir den Fisch gegen seinen Willen behandeln um uns dadurch ein befriedigendes Erlebnis verschaffen. Es macht Freude einen Fisch zu überlisten und dabei möglichst auch noch einen tollen Drill zu erleben.

 

Wie könnte daher eine verantwortungs- und situationsethische Antwort auf die Frage
„Ist Fischen ethisch vertretbar“ lauten?

  • Fischen ist durchaus vertretbar, solange die Kreatur nicht unnötig gequält oder misshandelt wird. Die Formel lautet: „Respekt vor der Kreatur“, Vernunft und Augenmaß (auf neudeutsch: Common Sense).
  • Fische um des Fischens willen zu fangen und zu releasen ist folglich genauso tierverachtend wie große Fische abzuschlachten, wenn der gefangene Fisch in den nächsten Jahren ein guter Mutterfisch gewesen wäre.

All diese Überlegungen sind nicht neu:

  • Wolfram v. Eschenbach beschreibt seinen Schionatulander als Mann, der erst durch das Fangen von Fischen „…sich den Mangel an Glück“ (fängt), so dass er (ohne Fischen) seitdem nie wieder froh wurde.
  • In Izaak Waltons und Charles Cottons Buch „Der vollkommene Angler oder eines nachdenklichen Mannes Erholung“ streben die beiden Freunde nach einer Verantwortungs- und Situationsethik im Umgang mit dem Fisch und schließlich mit sich selbst.

Verantwortungs- sowie Situationsethos sind also Grundlage unseres ganz persönlichen Verhaltens am Wasser über einen längeren Zeitraum hinweg, so dass sich daraus eigene individuelle Lebensrundsätze abseits der Fischerei ableiten lassen. Solange jeder einzelne hinter seinen ganz persönlichen Grundsätzen steht, ist dessen Tun und Handeln auch moralisch vertretbar. Im Englischen spricht man daher  auch von „passion“, der Passion also der Leidenschaft des Angelns. Sie wird zu einer ganz besonderen Lebenseinstellung.

Manchmal stellt dieses Ethikmodell aber eine Überforderung des Einzelnen dar, die nach Gesinnungsnormen (Statuten, Fischereiordnungen etc.) aller Fischer verlangt. Wir fühlen uns als einzelne Person mit unseren situationsgebundenen Entscheidungen alleine, können diese vielleicht nicht vernünftig begründen, wiewohl sie moralisch vertretbar ist.

Dies führt vielleicht zur Frage nach einer Gesinnungsethik in der Fischerei.

 

Wie könnte diese gesinnungsethische Antwort auf die Frage „Ist Fischen ethisch vertretbar“ lauten?

In unserer Wohlstandsgesellschaft haben sich die ökologischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen für die Nutzung von Tieren und tierischen Lebensräumen grundsätzlich geändert. Der Mensch, der Teil des Lebensraums Kulturlandschaft ist, hat tiefgreifend in die Ökosysteme eingegriffen.  Dazu kommt eine Veränderung der Bevölkerungsverteilung hin zu Ballungsräumen bei gleichzeitigem Zunehmen der Sehnsucht nach Wildnis. Unser Streben nach  Wahrung naturnaher Gewässer mit  selbst reproduzierenden Wildtierpopulationen  erfährt oft wenig Akzeptanz bei den verschiedenen anderen Nutzern der Kulturlandschaft „Wasser“. Eine moralische Verantwortung und dadurch allgemeine soziokulturelle Akzeptanz von Anglern unter Nichtanglern findet kaum statt. „Ihr reinigt Euer Angelrevier nur, weil ihr in schöner Natur fischen wollt!“

 

Für eine gesinnungsethisch legitimierbare Ausrichtung der Fischerei könnten daher folgende Ziele gelten:

  • Erhaltung unserer Fischpopulationen (selbst reproduzierend sowie mittels Unterstützung durch den Fischzüchter und die gleichzeitige bewusste Entnahme geeigneter fangfähiger Fische. Die Möglichkeit einer nachhaltigen Nutzung von gefangenen besetzten Fischen kann einen wesentlichen Beitrag zum gleichzeitigen Artenschutz gefährdeter Fischarten leisten.
  • Die Freude am Angeln und die Wahrung der Biosphäre Wasser als Beitrag zum Interessenausgleich in unserer Kulturlandschaft

Unser Einsatz bei der Gestaltung von Biotopen zur Wahrung der Biodiversität sind lebensraumverbessernde Maßnahmen um bestehende Lebensraumdefizite für alle auszugleichen.

  • Wir Angler schaffen Fischruhezonen und Fischruhezeiten (Laichplätzen, Jungfischplätzen) in fischereiökologisch sensiblen Gebieten zum Vorteil aller Naturnutzer.
  • Bewusste kulinarische Nutzung von qualitativ hochwertigem Fischfleisch  und von Fischprodukten

Laut Tierschutzgesetz ist das Fangen und Töten von Fischen – wie auch anderen Wirbeltieren ausschließlich aus „vernünftigen Gründen“ erlaubt. Als „vernünftiger Grund“ gilt die Verwertung der gefangenen Fische zum menschlichen Verzehr. Es darf unter Fischern kein Problem sein, Fische zu fangen, zu töten und mit Genuss zu essen, dies ist nicht nur ein Thema der Verantwortungsethik sondern auch der Nutzbarkeit von Fisch und Fischfleisch. Gefangene, maßige Exemplare einer möglichst schmerzlosen Tötung zuzuführen um sie optimal verwerten zu können ist demnach nicht verwerflich.  

Dr. Heinz Heistinger
wissenschaftlicher Beirat, Präsident der NÖ Tiergesundheitsdienstes
ÖKF Mitgliederversammlung 11.03.2016